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Ersatzmethoden
Alternativmethoden werden grundsätzlich nach den 3R Aspekten (Replace, Reduce, Refine) unterschieden. Ersatzmethoden werden im Sinne von Replace als tierversuchsfreie Methoden, die konkrete Tierversuche vollständig ersetzen können, definiert. Sind solche Methoden vorhanden, ist ein Tierversuch nach dem Deutschen Tierschutzgesetz und der Europäischen Richtlinie zum Schutz der Versuchstiere 2010/63/EU nicht genehmigungsfähig.
Ersatzmethoden können verschiedene Ansätze verfolgen:
- Untersuchung eines spezifischen molekularen Wirkmechanismus: Dies wird z.B. bei der Prüfung auf Genotoxizität (Veränderungen des Erbgutes) oder Phototoxizität (lichtabhängige Toxizität) angewendet.
- Organotypische Modelle (zum Beispiel Hautmodelle): Hier werden komplexe Modelle eines Organs (zum Beispiel Haut) in vitro gezüchtet und direkt für den Nachweis einer gesundheitlichen Gefährdung, wie Reizung oder Ätzung, wie auch bei Untersuchungen zur Aufnahme von Substanzen (z.B. über die Haut), eingesetzt.
- Überprüfung eines spezifischen physiologischen Prozesses im Rahmen von Test- und Bewertungsstrategien: Hier werden Wechselwirkungen von verschiedenen Zelltypen, durch die Kombination verschiedener in vitro wie auch in silico Modellen nachgebildet. Im Fall der Hautsensibilisierung sind dies zum Beispiel Haptenisierung, Aktivierung epidermaler und dendritischer Zellen in der Haut und schlussendlich die Aktivierung von T-Zellen im Lymphknoten. Die Ergebnisse der Einzeltests werden durch eine standardisierte Auswerteprozedur zusammengefasst und erlauben so eine Vorhersage der Wirkung im Tier wie auch im Menschen.
Die Frage, ob ein Tierversuch durch eine Ersatzmethode aber tatsächlich ersetzt werden kann hängt vor allem davon ab, ob er für die konkrete Fragestellung auch anwendbar ist. Dies betrifft Tierversuche in der (Grundlagen)Forschung, bei denen geklärt werden muss, inwieweit die Methoden für die konkrete wissenschaftliche Fragestellung geeignet sind. Es betrifft gleichermaßen Tierversuche in gesetzlichen Verfahren der Chemikaliensicherheit, wie auch der Prüfung von Pflanzenschutzmitteln oder Arzneimitteln. Hier ist die Frage vor allem, ob Eigenschaften der Testsubstanz (Löslichkeit, Reaktivität, Stabilität) die Prüfung mittels der Ersatzmethode soweit beeinflussen, dass das Ergebnis keine konkrete Aussage mehr erlaubt.
Bei Arzneimitteln wird dabei in der Regel gefordert, dass die Anwendbarkeit einer Methode für ein Produkt in jedem Fall einzeln überprüft wird (siehe auch Kapitel 5.2.14 der European Pharmacopoeia, in der allgemeine Regeln zum Ersatz von Tierversuchen im Bereich Qualitätssicherung von Impfstoffen erläutert werden). Im Bereich der Chemikalien, Pflanzenschutzmittel und Biozide werden primär validierte Methoden aus dem OECD Prüfrichtlinienprogramm eingesetzt, wobei der Anwendungsbereich einer Ersatzmethode im Rahmen eines formellen Validierungsprozesses untersucht und Limitierungen hinsichtlich spezifischer Substanzgruppen definiert werden (siehe Liste akzeptierter Prüfmethoden). Grundsätzlich werden dabei nur reine Substanzen verwendet, so dass zumeist unklar ist, inwieweit Ersatzmethoden auch für die Prüfung von Gemischen oder komplexen Formulierungen in Produkten geeignet sind.
In den letzten Jahren hat die Zahl der in vitro-Testungen für Haut- bzw. Augenreizung/-ätzung - sowie Sensibilisierung stark zugenommen, da diese zusammen mit Methoden zum Nachweis von Genotoxizität grundsätzlich vorgeschrieben sind. Die unter der Europäischen Chemikalienverordnung REACH am häufigsten verwendete Methode, um auf Tierversuche zu verzichten, basiert momentan aber nicht auf in vitro-Ansätzen sondern auf Analogiekonzepten, insbesondere „read-across“, wobei Daten von strukturverwandten Substanzen aufeinander übertragen werden. Hier können in vitro Methoden durch den Nachweis, dass strukturelle Ähnlichkeit auch mit vergleichbarer biologischer Aktivität korreliert, die Akzeptanz dieses Ansatzes erhöhen.
Eine Auflistung anerkannter Ersatz- und Alternativmethoden finden Sie hier (154.9 KB).
Neu hinzugekommen ist in diesem Jahr die TG444A, die die Bestimmung von Immunotoxizität in vitro unterstützt, aber den Tierversuch nicht ersetzen kann, sondern zur Anwendung in einer Teststrategie vorgesehen ist. Im letzten Jahr wurde die TG 467 veröffentlich, die sogenannte Defined Approaches enthält, in denen die Auswerteprozedur bei der Kombination verschiedener Alternativmethoden festgelegt sind.